Das nächste große Ding

achhaltigere Welt angesehen?
Gegenwärtig werden rund 51 Prozent des Wasserstoffs, der wirtschaftlich genutzt wird, in Raffinerien und 43 Prozent für die Ammoniaksynthese, vor allem in der Düngemittelproduktion, eingesetzt. Das häufigste Verfahren zur Herstellung von Wasserstoff ist die Methandampfreformierung (SMR). Diese setzt auf fossile Brennstoffe und verbraucht etwa 6 Prozent des Erdgases und 2 Prozent der Kohle weltweit.
Wasserstoff kommt auf der Erde nur selten in Reinform vor und muss daher aus Verbindungen extrahiert werden. Jede chemische Verbindung mit H enthält Wasserstoff. Dazu zählen Kohlenwasserstoffe, Methan (CH4) und Wasser (H2O). Tatsächlich besteht das Universum zu 75 Prozent aus Wasserstoff.
Wasserstoff an sich ist farblos. Die verschiedenen Arten von Wasserstoff werden über eine Farbpalette für seine Gewinnung definiert, die von schwarz (aus Kohle) über pink (aus Kernkraft) und türkis (durch Methanpyrolyse) bis zu blau (aus Erdgas mit Carbon- Capture-Technologie) und der zurzeit häufigsten Farbe grau (aus Kohlengas) reicht. Ausgangsmaterial und Herstellungsverfahren sind entscheidend dafür, inwieweit welche Art von Wasserstoff umweltfreundlich ist.
Wenn aber Wasserstoff mit Hilfe von fossilen Brennstoffen gewonnen wird, warum gilt er dann als so wichtiger Bestandteil einer nachhaltigen Zukunft? Die Idealvorstellung ist vollständig kohlenstoffneutraler oder „grüner“ Wasserstoff.
Grüner Wasserstoff entsteht, indem Wasser durch eine Elektrolysezelle geleitet wird, die mit erneuerbarer Energie wie Wind-, Solar- oder Wasserkraft betrieben wird. Durch den Strom wird der Wasserstoff vom Sauerstoff getrennt und beide lagern sich jeweils an einer Elektrode an. Das Potenzial von grünem Wasserstoff im nachhaltigen Energiemix besteht darin, dass er ähnlich wie Erdgas verbrannt, aber auch in einer Brennstoffzelle ähnlich wie eine Batterie betrieben werden kann.
Trotz seiner vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten ist die Nutzung von Wasserstoff bisher durch seine energieintensive Gewinnung begrenzt, die manchmal mehr Energie verbraucht als sie erzeugt. Grauer Wasserstoff auf der Basis fossiler Brennstoffe ist relativ billig. Bisher gilt: Je grüner der Wasserstoff, desto teurer seine Gewinnung.
Dies ändert sich jedoch gerade, weil die Erzeugung von grünem Wasserstoff machbarer und in gewissem Maße auch unverzichtbar wird.
Fossile Brennstoffe werden immer teurer und aufgrund ihrer Auswirkungen auf den Klimawandel zunehmend abgelehnt. Außerdem werden sie als Druckmittel in geopolitischen Konflikten eingesetzt, weshalb mit immer mehr Nachdruck eine Verringerung dieser Abhängigkeit gefordert wird. Regierungen, globale Organisationen und die Industrie stehen unter dem Druck, ihre Null-Emissions- Ziele zu erreichen, und müssen daher die Treibhausgase reduzieren. Realistisch sind diese Ziele nur, wenn es grundlegend neue Lösungen gibt, wie etwa grünen Wasserstoff.
Darüber hinaus führen Initiativen wie das Green Catapult der Vereinten Nationen, das Wasserstoffprogramm des US-Energieministeriums, der langfristige Wasserstoffplan Chinas und die Legislativvorschläge der Europäischen Kommission dazu, dass der Gewinnung von Wasserstoff Vorrang eingeräumt wird und diese so effizienter und damit kostengünstiger wird. Durch die sinkenden Kosten für Solar- und Windenergie reduzieren sich auch die Gesamtkosten für die Erzeugung von grünem Wasserstoff deutlich.
Welche Position wird Wasserstoff also im nachhaltigen Energiemix einnehmen?
Die Hersteller werden auf jeden Fall die wichtigen chemischen Prozesse, bei denen derzeit hauptsächlich Wasserstoff genutzt wird, „grüner“ gestalten. So wird zum Beispiel in der Düngemittelproduktion eine Verlagerung von grauem zu grünem Wasserstoff erfolgen.
Was ist mit Wasserstofffahrzeugen?
Das erste vierrädrige Fahrzeug mit Wasserstoff- und Sauerstoffantrieb wurde bereits 1807 erfunden. Auch in den 1970er- und 1980er-Jahren sahen viele Wasserstoff als Antwort auf die Suche nach umweltfreundlichen Autos. Der Hollywood-Star Jack Nicholson begeisterte schon 1978 dieZuschauer mit einem Auto, das mit dem betrieben wurde, was wir heute als „grünen Wasserstoff“ bezeichnen.
Seither hat sich die Batterietechnologie so dramatisch verbessert, dass batterieelektrische Fahrzeuge (BEV) jetzt mit normalen Antrieben mithalten können, wenn es um die Reichweite geht — also die Distanz, die sie mit einer Ladung oder einem vollen Tank zurücklegen. Die meisten Experten sind sich einig, dass die nachhaltige Automobiltechnik wohl eher auf Batterien als auf Wasserstoff- Brennstoffzellen setzen wird. Honda war 2008 einer der ersten Hersteller, der ein Elektrofahrzeug mit Wasserstoff- Brennstoffzelle (FCEV) für Privatkunden anbot.
Bei anderen Fahrzeugtypen stoßen Batterien jedoch an ihre Grenzen, sodass dort Wasserstoff eine bessere Option sein könnte. Laut SAE International betrachten Hersteller und globale Zulieferer den Wasserstoffantrieb als Lösung für die Dekarbonisierung des Schwerlastverkehrs. Dennoch wurde Wasserstoff bei den BEV lange vernachlässigt. Erst 2020 nahm Hyundai die Fertigung seiner Xcient Lkw mit Wasserstoffantrieb auf.
Da überrascht es nicht, dass Wasserstofffahrzeuge bislang erst selten genutzt werden. Laut Information Trends sind 2023 weltweit nur 56.000 wasserstoffbetriebene Fahrzeuge auf den Straßen unterwegs und nur sehr wenige davon sind Nutzfahrzeuge oder schwere Lkw. Neue Erfolge in der Wasserstofftechnologie könnten aber die Flottenemissionen reduzieren und gleichzeitig einen zuverlässigen Betrieb mit ähnlichen Zeiten wie bei modernen Diesel-Lkw ermöglichen.
Die Hersteller konzentrieren sich auf die Technologien für schwer zu elektrifizierende Anwendungen: Lkw, die täglich mindestens 400 Kilometer zurücklegen, in Gebieten mit schlechter Luftqualität unterwegs sind oder eine hohe Auslastung haben.
Im ersten Schritt konzentrieren sich die meisten auf Wasserstoffantriebe mit vorhandener Technologie und Karosserie. FCEVs könnten jedoch eine langfristige Lösung für die Dekarbonisierung von Langstreckentransporten sein. Wasserstoff- Brennstoffzellen haben ein hohes Potenzial für schwere Lkw, die eine höhere Energiedichte, ein schnelles Auftanken und eine zusätzliche Reichweite benötigen.
Auch die Schifffahrtsbranche steht unter dem Druck, ihre Umweltbilanz zu verbessern. Drei Prozent der weltweiten Treibhausgase werden derzeit von Schiffen erzeugt. Gegenwärtig laufen mehrere Projekte, die testen, wie Wasserstoff und andere daraus hergestellte Kraftstoffe wie Ammoniak und Methanol als Antrieb für eine kohlenstoffarme Schifffahrt genutzt werden könnten.
Ein weiterer interessanter Bereich ist der Schienenfernverkehr, wo die Technologie bereits Realität ist. Der Coradia iLint™ von Alstom ist der erste Personenzug der Welt mit einer Wasserstoff-Brennstoffzelle. Im September 2022 erreichte er einen neuen Weltrekord, als er 1.175 Kilometer mit einer einzigen Tankfüllung zurücklegte.
Die wichtigste nachhaltige Anwendung für Wasserstoff ist die Rolle, die er bei der Stabilisierung des Stromnetzes spielen kann. Wasserstoff wird aus Strom hergestellt, ist speicherbar und kann wieder in Strom umgewandelt werden.
Erneuerbare Energien sind von Natur aus unregelmäßig, da nicht immer die Sonne scheint oder der Wind weht. Obwohl der Wirkungsgrad von Solarplatten und Windturbinen ständig steigt, muss es eine alternative Energiequelle geben. Momentan kommt dafür Kohlengas zum Einsatz, das aber aufgrund seiner Auswirkungen auf das Klima nicht nachhaltig ist.
Das Wundermittel Wasserstoff könnte diese Lücke füllen. Bei Produktionsspitzen produzieren die Windturbinen und Solarpaneele mehr Energie, als die von ihnen versorgten Stromnetze benötigen, und werden daher abgeschaltet. Dadurch gehen etwa 20 Prozent der Kapazität von erneuerbaren Energien verloren.
Inzwischen werden große Investitionen mit Fokus auf einer Verknüpfung von Wasserstoff und erneuerbaren Energien getätigt. Anstatt die Paneele und Windturbinen zu Spitzenzeiten abzuschalten, könnte der Energieüberschuss in die Herstellung von grünem Wasserstoff umgeleitet werden, der sich speichern lässt. Sobald das Netz Energie benötigt, wird der Wasserstoff wieder in Strom umgewandelt.
Es ist kaum zu glauben, dass Jules Verne bereits im 19. Jahrhundert voraussagte, dass die durch Elektrizität zersetzten Elemente des Wassers eines Tages eine unerschöpfliche Wärme- und Lichtquelle darstellen würden. 150 Jahre später wird seine Vision nun Wirklichkeit: Wasserstoff wird zu einer entscheidenden Komponente für eine nachhaltige Welt.